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Skandal oder normal?

LayzeeLayzee Geschrieben
Skandal oder normal?

Wir leben in wilden und seltsamen Zeiten.
Das beweist ein leider sehr realer Fall der freien Auslegung des Datenschutzgesetzes.


Wichtiger Hinweis
Dieser Beitrag wird voraussichtlich sehr lang und kann Wutanfälle, Herzrasen, Fusspilz und Kopfschmerz verursachen. 
Solltest du beim Lesen dieses Beitrags eine stark erhöhte Herzfrequenz oder - dem entgegen - einen Herzstillstand aufgrund eines Wutausbruchs feststellen, lege bitte eine Lesepause von mindestens 2 Wochen ein und ziehe im Bedarfsfall professionelle Hilfe hinzu. Das Lesen dieses Beitrags erfolgt auf eigene Gefahr. Bitte beachte: Lesen gefährdet die Dummheit.

Vorwort und Vorgeschichte
Ich war und bin schon länger auf der Suche nach einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung, vorzugsweise natürlich in der mir vertrauten Branche.
So ergab es sich an einem Dienstag Nachmittag, dass ich durch Zufall auf eine Stellenausschreibung auf Facebook stiess, die für mich sehr interessant klang. Aussteller der Ausschreibung war eine Firma mit Sitz in Münster, also knapp 45km von meiner aktuellen Siedlungsposition entfernt. Eigentlich bin ich ein sehr skeptischer Mensch und vor Allem bei Anzeigen in den sozialen Netzwerken ist generell Vorsicht geboten, aber mich trieb die Neugier. Also füllte ich das kurze Bewerbungsformular aus und klickte auf den verheissungsvollen Butten "Abschicken".
Als Bestätigung war eine kurze Meldung zu lesen, die Bewerbung sei angekommen und man würde sich bei entsprechender Eignung schnellstmöglich mit mir in Verbindung setzen.

Der erste Kontakt
Gleich am nächsten Vormittag freute ich mich über eine Nachricht dieser Firma in meinem Mail-Postfach.
In dieser Mail informierte man mich darüber, an mir interessiert zu sein und mit mir gerne ein persönliches Gespräch führen zu wollen. Es gab auch gleich einen Terminvorschlag für den kommenden Freitag, welchen ich umgehend bestätigte. Diese Bestätigung wurde nahezu augenblicklich mit einer weiteren Mail belohnt, die den Link zu einem ZOOM-Meeting enthielt.

Das erste Kennenlernen
Nur zweimal schlafen, dann war es endlich so weit. Ich klickte auf den Link in der vorgenannten Mail und war kurz darauf Teil eines Zoom-Meetings.
Zu sehen waren ein Mann und eine Frau, beide vor wirklich schlecht umgesetzten Greenscreens. Nach einer kurzen Begrüssung stellten sich die beiden vor. Der männliche Teilnehmer war ein Mitarbeiter, der sich um die Rekrutierung neuer Mitarbeiter kümmert, also in der HR-Abteilung des Unternehmens tätig ist. Die ebenfalls anwesende Dame war die Teamleiterin des Projekts, in welchem ich zukünftig eingesetzt werden sollte. Schlussendlich war das ganze ein recht angenehmes aber trotzdem typisches Bewerbungsgespräch mit den entsprechenden, üblichen Fragen (und Antworten). Insgesamt dauerte dieses Gespräch eine knappe halbe Stunde.

Die Zusage
Wir einigten uns zum Ende des Gesprächs darauf, aufgrund des bevorstehenden Wochenendes die Entscheidung der Firma auf die folgende Woche zu verlegen. Spätestens bis Mitte nächster Woche sollte ich also Bescheid bekommen. Und hier hielt die Firma ihr Versprechen. Gleich am Montag Vormittag erhielt ich per Mail die Information, man habe sich dazu entschlossen mir eine Zusage zu erteilen. Starttermin wäre der 04.08.2025, also gleich in der nächsten Woche. Ich solle noch bestätigen, dass ich noch immer Interesse an einer Tätigkeit in diesem Unternehmen hätte, was ich natürlich auch tat. Es folgte eine weitere Mail, in der mir mitgeteilt wurde, der Arbeitsvertrag werde nun erstellt und postalisch zugestellt. Ich solle ihn dann möglichst schnell unterschreiben und umgehend zurückschicken. Ausserdem bräuchte man noch eine Kopie meines Personalausweises und meiner Krankenkassenkarte.

Der Arbeitsvertrag
Zwei Tage später (also am Mittwoch) landete der Arbeitsvertrag in meinem Briefkasten.
Ich setzte mich an meinen Schreibtisch, kramte die Lesebrille raus und begann den Vertrag zu "überfliegen".
Eigentlich ein völlig normaler Standard-Arbeitsvertrag, wie man ihn halt kennt. Die ersten Seiten enthielten wirklich nichts Ungewöhnliches und ich hielt meinen Kugelschreiber zum Unterschreiben dieses Vertrags schon in der Hand, als ich auf Paragraph 12 stiess, der sich mit der Zustimmung zur Erhebung meiner personenbezogenen Daten befasste. Ab hier noch einmal die eindringliche Warnung vom Anfang des Beitrags. Ab jetzt wird es heftig und nein, ich habe mir das nicht ausgedacht. Ich dichte nichts dazu, es ist traurige Realität.

Der Paragraph 12
Dieser Paragraph beschäftigt sich wie bereits erwähnt mit meiner Zustimmung zur Erhebung, Speicherung und Nutzung meiner personenbezogenen Daten. Dieser ist in mehrere Absätze unterteilt. Absatz (1) informiert mich lediglich darüber, dass ich Änderungen bei meiner Zustelladresse (also Umzug) zeitnah mitteilen müsse und ansonsten anfallende Nachteile mir selbst zur Last gelegt würden. Normal und logisch. Tja, und dann kam Absatz (2). Ich habe diesen Absatz mehrfach gelesen, mir ungläubig die Augen gerieben, einen langen Waldspaziergang gemacht,  im Badezimmer Fliesen gezählt, geweint, gelacht, 4 Liter Kaffee getrunken, mir ein 5-Gänge-Menü gegönnt und alle drei Teile von "Herr der Ringe" angeschaut. Dann las ich den Absatz (2) erneut. Und noch einmal. Und nochmal. Es half nichts. Ich las es schwarz auf weiss. Um zu verstehen, warum ich so reagierte, kopiere ich diesen Absatz im Folgenden hier in diesen Beitrag. Ich wiederhole noch einmal: Ich habe nichts dazu gedichtet oder mir ausgedacht. Der nun folgende Text steht tatsächlich genau so - Wort für Wort - in diesem Arbeitsvertrag. Bereit? Los gehts...

§12 Personaldaten/Einwilligung in die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten des Mitarbeiters
(1)
[...]

(2) 
Der Mitarbeiter erklärt sich mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner personenbezogenen Daten einverstanden, soweit sie im Rahmen der Zweckbestimmung des Arbeitsverhältnisses erfolgen. Dies gilt ausdrücklich auch für personenbezogene Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, religiöse oder weltanschauliche Überzeugung oder die Gewerkschaftszugehörigkeit des Mitarbeiters hervorgehen, ebenso die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung des Mitarbeiters, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung des Mitarbeiters. Diese Zustimmung gilt auch für ein Anbahnungsverhältnis im Vorfeld eines etwaigen Arbeitsverhältnisses und somit insbesondere auch für alle Daten, die der Mitarbeiter im Rahmen seiner Bewerbung unaufgefordert mitgeteilt hat. Davon unberührt bleiben gesetzliche Verpflichtungen der Firma zur Verarbeitung oder Übermittlung personenbezogener Daten.

Absatz (3) und (4) informieren mich dann über mein Widerrufsrecht sowie die Möglichkeit, jederzeit eine Übersicht darüber anzufordern, welche personenbezogenen Daten zu meiner Person gespeichert und genutzt werden.

Die Reaktionen
Ich habe eine gute Freundin, die im Betriebsrat eines grösseren, international tätigen Unternehmens sitzt und habe ihr diesen Text geschickt.
Natürlich hat ein Unternehmen ein nachvollziehbares Interesse daran, biometrische Daten zu erheben, damit sie auch weiss, wer da für sie arbeitet. Die Religion ist ggf wichtig wegen Kirchensteuer. Was mit "genetische Daten" gemeint ist, entzieht ich meiner Kenntnis. Was mir persönlich sauer aufstösst ist das Ding mit "Sexualleben" und "sexueller Orientierung" sowie die "Weltanschauung". Weder mein "Sexualleben", noch meine "sexuelle Orientierung" haben in irgendeiner denkbaren Weise etwas mit meinen Job zu tun oder beeinflussen diesen.

Dieser Paragraph 12, Absatz (2) schenkt dem Unternehmen im Falle der Unterschrift quasi eine Generallvollmacht über sämtliche personenbezogenen Daten. Sie dürfen sie völlig beliebig erheben (wie genau das stattfindet wird nicht erklärt), speichern, verarbeiten, nutzen und sogar übermitteln (an wen oder wohin die Daten ggf übermittelt werden wird ebenfalls nicht erklärt).
Man kann und darf dieser Vogehensweise zwar widersprechen, dieser Widerspruch gilt aber dann erst ab dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Widerspruchs. Alle davor gespeicherten und/oder genutzten Daten bleiben vom Widerruf unberührt, also auch die, die zb im Bewerbungsprozess erhoben wurden.

Ich habe dem Unternehmen per Mail mitgeteilt, dass mich dieser Abschnitt sehr verwirrt und ich nicht bereit und gewillt bin, den Arbeitsvertrag in dieser Form zu unterschreiben. Gleichzeitig bat ich darum, mir einen entsprechend angepassten Arbeitsvertrag zukommen zu lassen. 10 Minuten nach Abschicken der Mail rief mich ein Mitarbeiter der Firma an und erklärte mir, dass dies ein ganz normaler Standard-Arbeitsvertrag sei und dieser nicht angepasst werden könne. Die Erhebung der Daten über meine Sexualität und meine sexuelle Orientierung sei ja zb wichtig für die Lohnsteuerklasse und diese Klausel stünde nur deshalb im Vertrag. Spätestens an diesem Punkt war es dann mit meiner betont freundlichen Art vorbei. Meine daraufhin schon nicht mehr ganz so freundlich formulierte Frage nach dem Grund für die Erhebung der "politischen Meinung" und der "weltanschaulichen Überzeugung" blieb unbeantwortet. Stattdessen wurde nochmal wiederholt, dies sei ein völlig normaler Standard-Arbeitsvertrag und das sei auch alles anwaltlich abgesichert. Ausserdem wäre das ja von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Eine europaweit gültige Verordnung (DSGVO) wird in Deutschland bundeslandspezifisch also unterschiedlich ausgelegt? Bitte was?! Die Firma müsse dann jedenfalls bei meiner Verweigerung meiner Unterschrift leider vom Vertrag zurücktreten. Es war kein langes Gespräch.

Persönliches Fazit
Ich möchte an dieser Stelle von einer Wertung dieser ganzen Sache absehen, um keine "Meinungsmache" zu betreiben, aber man kann sich sicher vorstellen, wie ich mich nach diesem Gespräch gefühlt habe.

Habt ihr mal euren eigenen Arbeitsvertrag genauer geprüft?
Seid ihr gerade auf der Suche nach einem Job? Bitte lest unbedingt den Arbeitsvertrag genau durch und überlegt euch gut, worauf ihr euch da einlasst. Im Zweifelsfall lasst den Vertrag anwaltlich prüfen bevor ihr ihn unterschreibt und lasst euch vom Unternehmen niemals unter (Zeit-)Druck setzen. Völlig egal, was euch am Telefon und/oder in einem persänlichen Gespräch versprochen und erzählt wird, es gelten immer die schriftlichen Vereinbarungen. Mündliche Absprachen sind niemals rechtskräftig.

Passt gut auf euch auf da draussen.







 

Über Layzee

Ich bin Haupt-Administrator dieser Website. Ich bin dieser Website am 24.06.2024 beigetreten. . . Ich betreibe auch eine andere Website unter https://krazzfm.de. .

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